Epulis im Zahnfleisch: Diagnostik & Therapie für Zahnärzte
Die Epulis stellt eine der häufigsten gutartigen Wucherungen im Bereich der Mundschleimhaut dar und konfrontiert Zahnärzte regelmäßig mit diagnostischen und therapeutischen Herausforderungen. Als reaktive Hyperplasie des Zahnfleischgewebes tritt sie meist im Bereich der Gingiva auf und kann sowohl für Patienten als auch für Behandler beunruhigend wirken. Obwohl die Epulis in der Regel keine maligne Entartung zeigt, erfordert sie eine präzise Diagnostik und adäquate Therapie.
Für praktizierende Zahnärzte ist nicht nur das klinische Management dieser Läsionen relevant, sondern auch die korrekte Abrechnung der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen. Die Kenntnis der verschiedenen Epulis-Formen und ihrer histopathologischen Charakteristika bildet die Grundlage für eine zielgerichtete Behandlung und wirtschaftliche Praxisführung.
In diesem Fachartikel beleuchten wir die verschiedenen Erscheinungsformen der Epulis, ihre Differentialdiagnosen sowie evidenzbasierte Therapieansätze. Besonderes Augenmerk legen wir auf die korrekte Abrechnung nach GOZ und BEMA, um Zahnärzten eine optimale Vergütung ihrer erbrachten Leistungen zu ermöglichen.
Klassifikation und Ätiologie der Epulis
Der Begriff „Epulis“ (griechisch: „auf dem Zahnfleisch“) beschreibt keine spezifische Erkrankung, sondern eine klinische Erscheinungsform verschiedener reaktiver Hyperplasien des Zahnfleisches. Histopathologisch werden drei Hauptformen unterschieden:
- Epulis granulomatosa (Granulationsgewebe-Epulis): Entsteht durch chronische Entzündungsreize und besteht hauptsächlich aus Granulationsgewebe mit zahlreichen Kapillaren und Entzündungszellen
- Epulis gigantocellularis (Riesenzell-Epulis): Charakterisiert durch das Vorhandensein mehrkerniger Riesenzellen, ähnlich dem peripheren Riesenzellgranulom
- Epulis fibromatosa (Fibröse Epulis): Gekennzeichnet durch fibröses Bindegewebe mit kollagenen Fasern und geringer Vaskularisation
Ätiologisch spielen lokale Reizfaktoren eine entscheidende Rolle. Dazu zählen insuffiziente Restaurationsränder, Zahnstein, schlecht sitzender Zahnersatz, chronische Traumata und mangelnde Mundhygiene. Die Epulis tritt bevorzugt im Bereich der Frontzähne und Prämolaren auf, wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer (Verhältnis etwa 2:1).
Studien zeigen, dass bis zu 3,1% aller eingesandten oralen Biopsien als Epulis diagnostiziert werden, was ihre klinische Relevanz in der zahnärztlichen Praxis unterstreicht.
Hormonelle Faktoren können ebenfalls eine Rolle spielen, was das gehäufte Auftreten während der Schwangerschaft (Epulis gravidarum) erklärt. Hier besteht eine Korrelation mit erhöhten Östrogen- und Progesteronspiegeln, die zu einer verstärkten Gefäßproliferation und Entzündungsreaktion führen können.
Klinisches Erscheinungsbild und Differentialdiagnosen
Die Epulis präsentiert sich typischerweise als umschriebene, exophytische Wucherung des Zahnfleisches. Je nach histologischem Typ variiert das klinische Erscheinungsbild erheblich. Die Epulis granulomatosa zeigt sich als weiche, leicht blutende, rötliche Läsion. Die Epulis gigantocellularis erscheint oft bläulich-rot und kann durch Einlagerung von Hämosiderin bräunlich verfärbt sein.
Die Epulis fibromatosa präsentiert sich als feste, blassrosa bis weißliche Läsion mit glatter Oberfläche. Die Größe kann von wenigen Millimetern bis zu mehreren Zentimetern reichen. Charakteristisch ist das langsame, schmerzlose Wachstum, das jedoch zu funktionellen Beeinträchtigungen wie Kau- und Sprechstörungen führen kann.
Differentialdiagnostisch müssen folgende Erkrankungen abgegrenzt werden:
- Pyogenes Granulom
- Peripheres Riesenzellgranulom
- Fibrom
- Papillom
- Kaposi-Sarkom
- Plattenepithelkarzinom
- Metastasen maligner Tumoren
Besondere Aufmerksamkeit erfordert die Abgrenzung zu malignen Prozessen. Während die Epulis in der Regel ein langsames Wachstum zeigt, weisen maligne Läsionen oft ein rasches, infiltratives Wachstum mit Ulzerationen und Nekrosen auf. Bei unklarem klinischen Bild ist eine histopathologische Untersuchung zwingend erforderlich.
Diagnostisches Vorgehen und Abrechnung
Die Diagnostik der Epulis umfasst zunächst eine gründliche klinische Untersuchung mit Erhebung der Anamnese. Besonderes Augenmerk sollte auf potenzielle Reizfaktoren gelegt werden. Die Inspektion und Palpation der Läsion liefern wichtige Informationen über Konsistenz, Abgrenzbarkeit und Blutungsneigung.
Radiologische Untersuchungen (OPG, Zahnfilm) können zum Ausschluss knöcherner Beteiligung hilfreich sein. Der Goldstandard in der Diagnostik ist jedoch die histopathologische Untersuchung nach Exzisionsbiopsie oder vollständiger Entfernung.
Für die Abrechnung der diagnostischen Maßnahmen stehen folgende Positionen zur Verfügung:
Position | Leistungsbeschreibung | Punktwert | Betrag (€)* | Bemerkungen |
---|---|---|---|---|
Ä1 | Beratung | 80 | 4,66 | Auch telefonisch möglich |
Ä5 | Symptombezogene Untersuchung | 80 | 4,66 | Neben Ä1 berechnungsfähig |
Ä6 | Vollständige körperliche Untersuchung | 260 | 15,15 | Nicht neben Ä5 berechnungsfähig |
GOZ 0010 | Eingehende Untersuchung | 100 | 6,71 | 1x je Behandlungsfall |
GOZ 4000 | Parodontaler Screening-Index | 134 | 9,00 | 2x pro Kalenderjahr |
GOZ 9000 | Intraorale Fotodokumentation | 22 | 1,48 | Je Aufnahme |
* Beträge bei 2,3-fachem Satz, Stand 2023
Bei der Anfertigung von Röntgenaufnahmen können zusätzlich die Positionen GOZ 5000 (Orthopantomogramm, 11,42 € bei 1,8-fachem Satz) oder GOZ 5004 (Zahnfilm, 4,74 € bei 2,3-fachem Satz) abgerechnet werden. Die Entnahme einer Gewebeprobe zur histopathologischen Untersuchung wird nach GOZ 4020 (Entnahme und Fixation von Gewebe, 2,3-fach: 13,42 €) berechnet.
Therapieoptionen und deren Abrechnung
Die Therapie der Epulis richtet sich nach Größe, Lokalisation und histologischem Typ. Grundsätzlich stehen folgende Behandlungsoptionen zur Verfügung:
- Kausale Therapie: Beseitigung lokaler Reizfaktoren (Zahnstein, überstehende Füllungs- oder Kronenränder)
- Chirurgische Exzision: Vollständige Entfernung der Läsion bis ins gesunde Gewebe
- Kürettage: Bei Verdacht auf knöcherne Beteiligung
- Lasertherapie: Alternative zur konventionellen Chirurgie mit geringerer Blutung
Bei der Epulis gravidarum kann in manchen Fällen ein abwartendes Verhalten mit engmaschiger Kontrolle indiziert sein, da nach der Entbindung häufig eine spontane Regression eintritt. Bei funktionellen Beeinträchtigungen oder ästhetischen Problemen ist jedoch auch hier eine chirurgische Intervention zu erwägen.
Für die Abrechnung der therapeutischen Maßnahmen können folgende Positionen herangezogen werden:
Position | Leistungsbeschreibung | Punktwert | Betrag (€)* | Bemerkungen |
---|---|---|---|---|
GOZ 4070 | Entfernung subgingivaler harter Beläge | 104 | 6,98 | Je Zahn, bei Reizfaktorenbeseitigung |
GOZ 4090 | Gingivektomie/Gingivoplastik | 253 | 16,98 | Je Zahn, bei oberflächlicher Epulis |
GOZ 3210 | Exzision von Schleimhaut | 253 | 16,98 | Je Kieferhälfte |
GOZ 3240 | Operative Entfernung von Neubildungen | 600 | 40,26 | Bei größeren Läsionen |
Ä2381 | Exzision einer Geschwulst der Mundschleimhaut | 538 | 31,36 | Alternative zu GOZ 3240 |
GOZ 4150 | Anwendung eines Lasers | 120 | 8,05 | Zusatzposition, je Behandlungstag |
* Beträge bei 2,3-fachem Satz, Stand 2023
Bei umfangreicheren Eingriffen mit Nahtversorgung kann zusätzlich die Position GOZ 3100 (Chirurgische Wundversorgung mit Naht, 2,3-fach: 10,06 €) abgerechnet werden. Die histopathologische Untersuchung des exzidierten Gewebes wird nach GOÄ 4800-4823 berechnet und kann je nach Umfang zwischen 20,11 € und 89,15 € (1,15-facher Satz) liegen.
Rezidivprophylaxe und Nachsorge
Die Rezidivrate bei Epuliden liegt je nach Studie zwischen 5% und 20%. Entscheidend für die Rezidivprophylaxe ist die vollständige Entfernung der Läsion einschließlich des Periosts bei tieferen Läsionen. Zudem müssen alle potenziellen Reizfaktoren beseitigt werden.
Ein strukturiertes Nachsorgeprogramm umfasst:
- Regelmäßige Kontrollen (initial nach 2 Wochen, dann nach 3, 6 und 12 Monaten)
- Professionelle Zahnreinigungen zur Vermeidung neuer Reizfaktoren
- Intensive Mundhygieneinstruktion und -motivation
- Bei Schwangeren: Engmaschige Kontrollen bis zur Entbindung
Für die Nachsorge können folgende Abrechnungspositionen genutzt werden: