Stützstiftregistrat: Präzisionstechnik für optimale Bisslage
Das Stützstiftregistrat gehört zu den anspruchsvollsten Verfahren in der zahnärztlichen Funktionsdiagnostik und stellt ein unverzichtbares Instrument zur präzisen Bestimmung der zentrischen Relation dar. Für Zahnärzte bietet diese Methode nicht nur diagnostische Vorteile, sondern auch relevante Abrechnungsmöglichkeiten, die bei korrekter Anwendung die Wirtschaftlichkeit der Praxis positiv beeinflussen können.
Bei funktionsgestörten Patienten oder komplexen prothetischen Versorgungen ist die exakte Bestimmung der Kieferrelation entscheidend für den Behandlungserfolg. Das Stützstiftregistrat ermöglicht durch die graphische Aufzeichnung der Unterkieferbewegungen eine reproduzierbare Dokumentation und präzise Positionierung des Unterkiefers zum Oberkiefer – unabhängig von okklusalen Störfaktoren.
Die korrekte Durchführung und Abrechnung des Stützstiftregistrats erfordert fundiertes Fachwissen und eine sorgfältige Dokumentation. Dieser Artikel beleuchtet sowohl die klinischen Aspekte als auch die abrechnungstechnischen Besonderheiten dieser Präzisionstechnik.
Klinische Grundlagen und Indikationen des Stützstiftregistrats
Das Stützstiftregistrat basiert auf dem Prinzip der Pfeilwinkelregistrierung nach Gysi. Dabei wird ein zentraler Stützstift an einer Registrierplatte im Oberkiefer befestigt, der auf einer im Unterkiefer fixierten Schreibplatte die Bewegungen des Unterkiefers aufzeichnet. Die entstehende Pfeilspitze markiert die retralste, nicht forcierte Position des Unterkiefers und dient als Referenzpunkt für die zentrische Relation.
Hauptindikationen für die Anwendung des Stützstiftregistrats sind:
- Totalprothetische Versorgungen mit unklarer oder nicht reproduzierbarer Kieferrelation
- Komplexe Rehabilitationen bei stark reduziertem Restzahnbestand
- Funktionsdiagnostik bei craniomandibulären Dysfunktionen (CMD)
- Präprothetische Diagnostik bei umfangreichen Versorgungen
- Neuanfertigung von Totalprothesen bei nicht zufriedenstellender Bisslage
Die klinische Relevanz liegt in der Möglichkeit, eine reproduzierbare und muskulär entspannte Position des Unterkiefers zu finden, die frei von okklusalen Zwangspositionen ist. Dies ist besonders bei Patienten ohne stabile Okklusion oder mit neuromuskulären Dysbalancen von entscheidender Bedeutung.
Nach einer Studie von Utz et al. (2002) zeigt das Stützstiftregistrat bei korrekter Durchführung eine Reproduzierbarkeit der zentrischen Position von bis zu 0,1 mm – ein Präzisionsniveau, das mit konventionellen Wachsregistraten kaum erreichbar ist.
Durchführung und technische Aspekte des Stützstiftregistrats
Die Durchführung eines Stützstiftregistrats erfordert eine systematische Vorgehensweise und präzises technisches Equipment. Der Ablauf gliedert sich in mehrere Schritte:
- Vorbereitung: Herstellung individueller Registrierbehelfe oder Anpassung konfektionierter Systeme auf Basis präziser Situationsmodelle
- Einsetzen der Registrierplatten: Fixierung der Schreibplatte im Unterkiefer und der Stützstiftplatte im Oberkiefer
- Justierung: Einstellung der vertikalen Dimension durch Höhenanpassung des Stützstifts
- Aufzeichnung: Durchführung der Grenzbewegungen (Protrusion, Laterotrusion) zur Erzeugung des Pfeilwinkels
- Fixierung: Markierung der Pfeilspitze und Fixierung der Position mittels Bissschlüssel oder Registriermaterial
- Übertragung: Transfer der ermittelten Position in den Artikulator
Technisch stehen verschiedene Systeme zur Verfügung – von klassischen mechanischen Registrierbehelfen bis hin zu modernen elektronischen Systemen mit digitaler Aufzeichnung. Die intraorale Stützstiftregistrierung wird direkt im Mund durchgeführt, während bei der extraoralen Variante die Aufzeichnung außerhalb des Mundes über Gesichtsbögen erfolgt.
Moderne digitale Systeme ermöglichen zusätzlich die computergestützte Analyse der Bewegungsbahnen und bieten erweiterte diagnostische Möglichkeiten. Diese Systeme können besonders bei komplexen funktionsanalytischen Fragestellungen wertvolle Zusatzinformationen liefern.
Abrechnung des Stützstiftregistrats nach GOZ und BEMA
Die korrekte Abrechnung des Stützstiftregistrats ist für die Wirtschaftlichkeit der Praxis von erheblicher Bedeutung. Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind die Möglichkeiten begrenzt, während die private Gebührenordnung (GOZ) differenziertere Abrechnungspositionen bietet.
In der GOZ kommen für das Stützstiftregistrat primär folgende Positionen in Betracht:
- GOZ 8010: Funktionsanalytische Maßnahmen (Erstuntersuchung) – 180 Punkte, 10,49 € (1,0-facher Satz)
- GOZ 8020: Registrieren der gelenkbezüglichen Zentrallage des Unterkiefers – 250 Punkte, 14,58 € (1,0-facher Satz)
- GOZ 8035: Stützstiftregistrierung – 400 Punkte, 23,32 € (1,0-facher Satz)
- GOZ 9050: Funktionsanalytische Positionsbestimmung mit Hilfsmitteln zur Fixierung – 550 Punkte, 32,06 € (1,0-facher Satz)
Bei der Abrechnung ist zu beachten, dass die GOZ 8035 (Stützstiftregistrierung) die eigentliche Kernleistung darstellt. Die Anfertigung der Registrierbehelfe kann zusätzlich über die Positionen GOZ 7000 (Bissnahme) und ggf. GOZ 7010 (Modelle) abgerechnet werden. Die Laborkosten für die Herstellung der Registrierbehelfe sind gesondert berechnungsfähig.
Im BEMA-Bereich ist die Abrechnung deutlich eingeschränkter. Hier kommt lediglich die Position FU3 (Funktionsanalytische Maßnahmen) in Betracht, die jedoch nur bei bestimmten Indikationen wie der Behandlung von Kiefergelenkserkrankungen oder bei Kieferbrüchen abrechnungsfähig ist.
Leistung | GOZ-Position | Punktwert | Betrag (1,0-fach) | Empfohlener Steigerungsfaktor | Betrag (empfohlen) |
---|---|---|---|---|---|
Funktionsanalytische Erstuntersuchung | 8010 | 180 | 10,49 € | 2,3 | 24,13 € |
Registrieren der Zentrallage | 8020 | 250 | 14,58 € | 2,3 | 33,53 € |
Stützstiftregistrierung | 8035 | 400 | 23,32 € | 2,3-3,5 | 53,64 € – 81,62 € |
Funktionsanalytische Positionsbestimmung | 9050 | 550 | 32,06 € | 2,3 | 73,74 € |
Bissnahme | 7000 | 150 | 8,74 € | 2,3 | 20,10 € |
Aufgrund des erhöhten Zeitaufwands und der besonderen Schwierigkeit ist für die GOZ 8035 häufig eine Steigerung über den 2,3-fachen Satz hinaus gerechtfertigt. Eine entsprechende Begründung sollte in diesem Fall auf der Rechnung vermerkt werden.
Steigerungsmöglichkeiten und Analogberechnung
Die Komplexität des Stützstiftregistrats rechtfertigt in vielen Fällen eine Honorarsteigerung über den Regelsatz hinaus. Nach § 5 Abs. 2 GOZ kann der Zahnarzt den Steigerungsfaktor unter Berücksichtigung der Schwierigkeit, des Zeitaufwands und der Umstände bei der Ausführung angemessen erhöhen.
Begründungen für eine Faktorsteigerung bei der Stützstiftregistrierung können sein:
- Erhöhter Zeitaufwand bei komplexen Kieferrelationen
- Erschwerter Zugang bei eingeschränkter Mundöffnung
- Mehrfache Wiederholung zur Verifizierung der Ergebnisse
- Besondere Schwierigkeit bei Patienten mit neuromuskulären Störungen
- Kombination mit elektronischen Aufzeichnungssystemen
Bei Verwendung moderner digitaler Systeme, die in der GOZ nicht explizit erfasst sind, kommt eine Analogberechnung nach § 6 Abs. 1 GOZ in Betracht. Hierbei wird eine nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertige Leistung der GOZ als Berechnungsgrundlage herangezogen.
Beispiel für eine Analogberechnung: „GOZ 8035a – Digitale Stützstiftregistrierung mittels elektronischem Aufzeichnungssystem analog GOZ 8035 zzgl. GOZ 0010 für die computergestützte Analyse“.
Wichtige Punkte zur Abrechnung des Stützstiftregistrats
- Kernposition ist GOZ 8035 (400 Punkte, 23,32 € bei 1,0-fachem Satz)
- Kombination mit GOZ 8010, 8020 und 9050 möglich und sinnvoll
- Laborkosten für Registrierbehelfe zusätzlich berechnungsfähig
- Steigerung bis 3,5-fach bei entsprechender Begründung möglich
- Im BEMA nur eingeschränkt über FU3 bei speziellen Indikationen abrechenbar
- Sorgfältige Dokumentation für eventuelle Erstattungsfragen unerlässlich
Dokumentation und Qualitätssicherung
Eine sorgfältige Dokumentation des Stützstiftregistrats ist nicht nur aus forensischen Gründen, sondern auch für die Rechtfertigung der Abrechnung gegenüber Kostenträgern essentiell. Die Dokumentation sollte folgende Elemente umfassen:
- Indikationsstellung mit Befunddokumentation
- Beschreibung des verwendeten Systems und der Durchführung
- Aufbewahrung oder Fotodokumentation des Registrats
- Interpretation der Ergebnisse und abgeleitete Therapieentscheidungen
- Bei Privatpatienten: Aufklärung über Kosten und schriftliche Vereinbarung
Für die Qualitätssicherung empfiehlt sich die Etablierung eines standardisierten Protokolls in der Praxis. Dies umfasst die regelmäßige Wartung und Kalibrierung der verwendeten Geräte sowie die kontinuierliche Fortbildung des durchführenden Teams.
Bei der Kommunikation mit dem Labor sollten präzise Anweisungen zur Umsetzung der ermittelten Kieferrelation gegeben werden. Die digitale Dokumentation und Übermittlung der Registrierungsergebnisse, wie sie moderne CAD/CAM-Systeme ermöglichen, kann die Präzision der prothetischen Umsetzung deutlich verbessern.
Digitale Innovationen und Zukunftsperspektiven
Die traditionelle Stützstiftregistrierung erfährt durch digitale Technologien eine bedeutende Weiterentwicklung. Moderne Systeme kombinieren die bewährten Prinzipien mit digitaler Aufzeichnung und Analyse, was neue Dimensionen in der Funktionsdiagnostik eröffnet.
Zu den aktuellen Innovationen zäh