Adhäsivtechnik: Moderne Bonding-Strategien für langlebige Restaurationen und korrekte Abrechnung
Die Adhäsivtechnik hat die restaurative Zahnheilkunde revolutioniert und ermöglicht heute minimalinvasive, ästhetisch ansprechende Versorgungen mit hervorragender Langzeitstabilität. Für praktizierende Zahnärzte ist nicht nur die klinische Anwendung, sondern auch die korrekte Abrechnung dieser Technik von entscheidender Bedeutung für den wirtschaftlichen Praxiserfolg.
Moderne Adhäsivsysteme bieten verschiedene Anwendungsprotokolle – von der klassischen Mehrschritt-Technik bis hin zu selbstätzenden Einkomponenten-Systemen. Die Wahl des richtigen Systems und dessen korrekte Anwendung beeinflussen maßgeblich die Haftfestigkeit und damit die Langlebigkeit der Restauration. Gleichzeitig variieren die Abrechnungsmöglichkeiten je nach Indikation und verwendetem Material.
In diesem Fachartikel beleuchten wir die aktuellen Entwicklungen der Adhäsivtechnik aus klinischer und abrechnungstechnischer Perspektive. Wir analysieren die verschiedenen Bonding-Generationen, ihre Anwendungsbereiche sowie die korrekte Berechnung nach GOZ und BEMA – inklusive häufiger Abrechnungsfehler und deren Vermeidung.
Grundlagen der modernen Adhäsivtechnik und ihre Entwicklung
Die Adhäsivtechnik basiert auf dem Prinzip der mikromechanischen Verankerung zwischen Zahnhartsubstanz und Restaurationsmaterial. Seit der Einführung der Schmelz-Ätz-Technik durch Buonocore im Jahr 1955 hat sich die Technologie kontinuierlich weiterentwickelt. Moderne Adhäsivsysteme lassen sich grundsätzlich in Etch-and-Rinse-Systeme (mit separatem Ätzschritt) und Self-Etch-Systeme (selbstätzend) unterteilen.
Die Entwicklung der Adhäsivsysteme wird üblicherweise in Generationen eingeteilt:
- 1. und 2. Generation: Historische Systeme mit unzureichender Haftung
- 3. Generation: Erste klinisch erfolgreiche Systeme mit Schmelzätzung und Dentinkonditionierung
- 4. Generation: Drei-Schritt-Systeme mit separater Ätzung, Priming und Bonding
- 5. Generation: Zwei-Schritt-Systeme mit separater Ätzung und kombiniertem Primer/Bonding
- 6. Generation: Selbstätzende Primer mit separatem Bonding
- 7. Generation: All-in-One-Systeme mit selbstätzenden Eigenschaften
- 8. Generation: Universal-Adhäsive mit flexiblen Anwendungsprotokollen
Die neueste Entwicklung sind die Universal-Adhäsive, die sowohl im Etch-and-Rinse-, Selective-Etch- als auch im Self-Etch-Modus angewendet werden können. Sie enthalten funktionelle Monomere wie 10-MDP, die chemische Bindungen mit Hydroxylapatit eingehen und damit die Haftung zusätzlich verbessern.
Klinische Studien zeigen, dass die Haftfestigkeit moderner Universal-Adhäsive bei korrekter Anwendung Werte von 25-30 MPa am Schmelz und 15-25 MPa am Dentin erreichen kann – Werte, die für eine langfristig stabile Versorgung ausreichend sind.
Korrekte Abrechnung der Adhäsivtechnik nach GOZ und BEMA
Die Abrechnung der Adhäsivtechnik ist ein komplexes Thema, das häufig zu Unsicherheiten führt. Grundsätzlich ist zwischen gesetzlich und privat versicherten Patienten zu unterscheiden.
Bei gesetzlich versicherten Patienten ist die Adhäsivtechnik für bestimmte Indikationen Bestandteil der vertragszahnärztlichen Versorgung. Im BEMA ist die Adhäsivtechnik jedoch nicht als eigenständige Position aufgeführt, sondern in den jeweiligen Füllungspositionen inkludiert.
Bei privat versicherten Patienten oder Zusatzleistungen kann die Adhäsivtechnik nach GOZ abgerechnet werden. Die relevante Position ist:
- GOZ 2197: „Adhäsive Befestigung (Mehrschichttechnik) eines Inlays, einer Krone, einer Teilkrone oder einer Veneerschale“ (2,3-facher Satz: 13,42 €)
Wichtig: Die GOZ 2197 ist nur für die genannten indirekten Restaurationen anwendbar, nicht jedoch für direkte Kompositfüllungen. Bei direkten Füllungen ist die Adhäsivtechnik Bestandteil der Füllungsleistung (GOZ 2050-2120) und kann nicht zusätzlich berechnet werden.
Restaurationsart | GOZ-Position für Adhäsivtechnik | Punktwert | Betrag (2,3-fach) | Bemerkungen |
---|---|---|---|---|
Direkte Kompositfüllung | Keine separate Position | – | – | In Füllungsposition enthalten |
Inlay/Onlay | GOZ 2197 | 250 | 13,42 € | Je Restauration |
Teilkrone | GOZ 2197 | 250 | 13,42 € | Je Restauration |
Krone | GOZ 2197 | 250 | 13,42 € | Je Restauration |
Veneer | GOZ 2197 | 250 | 13,42 € | Je Restauration |
Häufige Abrechnungsfehler und deren Vermeidung
Bei der Abrechnung der Adhäsivtechnik treten regelmäßig Fehler auf, die zu Honorarverlusten oder Auseinandersetzungen mit Kostenerstattern führen können:
- Fehler: Berechnung der GOZ 2197 bei direkten Kompositfüllungen
Lösung: Bei direkten Füllungen ist die Adhäsivtechnik bereits in den Füllungspositionen enthalten. - Fehler: Keine Berechnung bei Inlays/Teilkronen
Lösung: Bei indirekten Restaurationen ist die GOZ 2197 zusätzlich berechnungsfähig. - Fehler: Mehrfachberechnung bei mehrflächigen Restaurationen
Lösung: Die GOZ 2197 ist je Restauration, nicht je Fläche berechnungsfähig. - Fehler: Keine Dokumentation des verwendeten Adhäsivsystems
Lösung: Dokumentieren Sie das verwendete System und die Anwendungstechnik in der Patientenakte. - Fehler: Keine Berücksichtigung der Analogberechnung bei besonderen Techniken
Lösung: Bei speziellen Adhäsivtechniken (z.B. für Keramikrestaurationen) kann eine Analogberechnung nach §6 Abs. 1 GOZ in Betracht kommen.
Eine sorgfältige Dokumentation ist entscheidend für die erfolgreiche Durchsetzung der Abrechnung. Notieren Sie das verwendete Adhäsivsystem, die Anwendungstechnik (Etch-and-Rinse, Self-Etch, Selective-Etch) und bei indirekten Restaurationen auch das verwendete Befestigungskomposit.
Klinische Anwendungsprotokolle und ihre Auswirkung auf die Abrechnung
Die korrekte klinische Anwendung der Adhäsivtechnik ist nicht nur für den Behandlungserfolg, sondern auch für die rechtssichere Abrechnung entscheidend. Je nach verwendetem System variieren die Anwendungsprotokolle:
Etch-and-Rinse-Technik (3-Schritt):
- Separate Ätzung mit Phosphorsäure (30-40 Sekunden Schmelz, 15 Sekunden Dentin)
- Gründliches Abspülen und vorsichtiges Trocknen
- Applikation des Primers
- Applikation des Bondings
- Lichthärtung
Etch-and-Rinse-Technik (2-Schritt):
- Separate Ätzung mit Phosphorsäure
- Gründliches Abspülen und vorsichtiges Trocknen
- Applikation des kombinierten Primer/Bondings
- Lichthärtung
Self-Etch-Technik:
- Keine separate Ätzung
- Applikation des selbstätzenden Adhäsivs
- Einwirkzeit beachten (je nach Produkt)
- Lichthärtung
Für die Abrechnung nach GOZ 2197 ist entscheidend, dass tatsächlich eine Mehrschichttechnik angewendet wird. Bei Verwendung von Self-Etch-Systemen oder Universal-Adhäsiven sollte dies in der Dokumentation berücksichtigt werden, um Rückfragen von Kostenerstattern vorzubeugen.
Materialwahl und wirtschaftliche Aspekte der Adhäsivtechnik
Die Wahl des Adhäsivsystems beeinflusst nicht nur den klinischen Erfolg, sondern auch die Wirtschaftlichkeit der Behandlung. Moderne Universal-Adhäsive sind in der Anschaffung oft teurer als konventionelle Systeme, bieten jedoch Vorteile durch ihre Vielseitigkeit und reduzierte Techniksensitivität.
Ein wirtschaftlicher Aspekt ist die Materialeffizienz: Während Mehrflaschensysteme oft länger haltbar sind und weniger Materialverschwendung verursachen, bieten Einkomponenten-Systeme Vorteile bei der Lagerung und reduzieren das Risiko von Anwendungsfehlern.
Die Materialkosten pro Anwendung variieren erheblich:
- Konventionelle Mehrschritt-Systeme: ca. 0,50-1,00 € pro Anwendung
- Selbstätzende Zwei-Schritt-Systeme: ca. 0,80-1,50 € pro Anwendung
- Universal-Adhäsive: ca. 1,00-2,00 € pro Anwendung
- Einmal-Applikatoren: zusätzlich ca. 0,10-0,30 € pro Anwendung
Bei der Kalkulation der Wirtschaftlichkeit sollten neben den reinen Materialkosten auch der Zeitaufwand für die Anwendung, die Techniksensitivität und die potenzielle Reduktion von Misserfolgen berücksichtigt werden. Ein schneller anzuwendendes System kann trotz höherer Materialkosten wirtschaftlicher sein, wenn dadurch Behandlungszeit eingespart wird.
Wichtige Fakten zur Adhäsivtechnik und Abrechnung
- Die GOZ 2197 (Adhäsive Befestigung) ist nur bei indirekten Restaurationen zusätzlich berechnungsfähig
- Bei direkten Kompositfüllungen ist die Adhäsivtechnik in der Füllungsposition enthalten
- Die GOZ 2197 wird mit 2,3-fachem Satz mit 13,42 € berechnet
- Universal-Adhäsive bieten flexible Anwendungsprotokolle und verbesserte Haftung
- Eine sorgfältige Dokumentation des verwendeten Systems und der Technik ist für die Abrechnung entscheidend
- Bei besonderen Adhäsivtechniken kann eine Analogberechnung nach §6 Abs. 1 GOZ in Betracht kommen
Fazit
Die moderne Adhäsivtechnik ist ein unverzichtbarer Bestandteil der restaurativen Zahnheilkunde. Die Wahl des richtigen Adhäsivsystems und dessen korrekte Anwendung sind entscheidend für den langfristigen klinischen Erfolg. Gleichzeitig ist die korrekte Abrechnung ein wichtiger wirtschaftlicher